Patienteninfo CED

CED, zu denen vor allem Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa zählen, betreffen Millionen von Menschen weltweit und stellen eine erhebliche Herausforderung sowohl für die Betroffenen als auch für das Gesundheitssystem dar. Diese Krankheiten sind durch anhaltende Entzündungsprozesse im Verdauungstrakt gekennzeichnet, deren genaue Ursachen bis heute nicht vollständig geklärt sind. Dennoch haben Fortschritte in der medizinischen Forschung einiges Licht ins Dunkel gebracht und uns geholfen, die komplexen Mechanismen, die diesen Krankheiten zugrunde liegen, besser zu verstehen.

Was passiert im Darm?
Die Hauptakteure in der Entstehung von CED sind das Immunsystem, die Darmflora (Mikrobiom), die Darmbarriere und Umweltfaktoren. Bei gesunden Menschen arbeiten diese Komponenten harmonisch zusammen, um eine gesunde Verdauung und Schutz vor Pathogenen zu gewährleisten. Bei CED kommt es jedoch zu einer fehlgeleiteten Immunantwort.

Immunsystem im Irrtum
Der Darm beherbergt einen großen Teil unseres Immunsystems, das normalerweise dazu dient, uns vor schädlichen Mikroorganismen zu schützen. Bei CED wird dieser Schutzmechanismus jedoch zum Problem: Anstatt nur auf tatsächliche Bedrohungen zu reagieren, richtet sich das Immunsystem auch gegen harmlose oder sogar nützliche Bakterien der Darmflora sowie gegen körpereigene Zellen. Dies führt zu einer chronischen Entzündung, die mit den typischen Symptomen wie Durchfall, Bauchschmerzen und Gewichtsverlust einhergeht.

Die Rolle der Darmflora
Das Mikrobiom – die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die unseren Darm besiedeln – spielt eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit. Bei Personen mit CED zeigt sich oft eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora. Diese solche Dysbiose kann die Entzündungsprozesse im Darm verstärken und zur Entwicklung der Krankheit beitragen. Es ist jedoch noch unklar, ob die Veränderungen in der Darmflora eine Ursache oder eine Folge der Erkrankung sind.

Beschädigung der Darmbarriere
Eine weitere Schlüsselkomponente ist die Darmbarriere, eine Schutzschicht, die verhindert, dass schädliche Substanzen und Mikroorganismen in den Körper gelangen. Bei CED kann diese Barriere beschädigt sein, was es erleichtert, dass Bakterien und deren Bestandteile in die Darmwand eindringen und dort eine Immunreaktion auslösen. Dieser Vorgang kann die Entzündung weiter vorantreiben und die Symptome verschlimmern.

Elektronenmikroskopisches Bild eines Ausschnittes des Darmepithels mit Mikrovilli
Elektronenmikroskopisches Bild eines Ausschnittes des Darmepithels mit Mikrovilli
Elektronenmikroskopisches Bild der Darmkrypte mit einer Panethzelle im Zentrum
Elektronenmikroskopisches Bild der Darmkrypte mit einer Panethzelle im Zentrum

Umweltfaktoren
Neben genetischen Prädispositionen spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle bei der Entwicklung von CED. Dazu gehören Ernährung, Rauchen, Stress und möglicherweise auch der Einsatz von Antibiotika, die das Gleichgewicht der Darmflora beeinflussen können.

Diagnose

Die Diagnose von CED, zu denen hauptsächlich Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa gehören, kann eine Herausforderung darstellen. Diese Krankheiten beeinträchtigen den Verdauungstrakt und zeigen oft ähnliche Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall und Gewichtsverlust, was ihre Unterscheidung von anderen Magen-Darm-Beschwerden erschwert. Der Diagnoseprozess ist daher umfassend und schließt verschiedene Untersuchungen ein, um ein genaues Bild der Erkrankung zu erhalten.

Anamnese und körperliche Untersuchung
Der erste Schritt zur Diagnose einer CED ist ein ausführliches Gespräch zwischen Arzt und Patient (Anamnese) sowie eine körperliche Untersuchung. Der Arzt erfragt dabei die Krankengeschichte und Symptome des Patienten, wie zum Beispiel die Art des Durchfalls (blutig oder nicht), Bauchschmerzen, Fieber, Müdigkeit und ob Familienmitglieder ähnliche Probleme hatten. Diese Informationen können erste Hinweise auf das Vorliegen einer CED liefern.

Bluttests
Bluttests helfen, Entzündungszeichen im Körper zu erkennen. Dazu gehören erhöhte Werte von C-reaktivem Protein (CRP) und eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), die auf eine aktive Entzündung im Körper hinweisen können. Auch Blutbildveränderungen wie Anämie (Blutarmut) können ein Indikator sein.

Symbolische Darstellung einer Diagnose. Designed by Freepik (www.freepik.com)
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Wissenschaftlerin bei der mikroskopischen Untersuchung
Wissenschaftlerin bei der mikroskopischen Untersuchung

Stuhluntersuchung
Eine Stuhluntersuchung kann Entzündungsmarker im Darm, wie Calprotectin oder Lactoferrin, nachweisen, die bei Personen mit CED erhöht sein können. Dieser Test hilft auch, infektiöse Ursachen von Durchfall auszuschließen.

Endoskopie
Die Endoskopie ist ein zentraler Bestandteil der Diagnostik. Bei einer Koloskopie wird der gesamte Dickdarm und der letzte Teil des Dünndarms (terminales Ileum) mit einem flexiblen Schlauch, der mit einer Kamera ausgestattet ist, untersucht. Sie ermöglicht es dem Arzt, Entzündungen, Geschwüre oder andere Anomalien direkt zu sehen und gegebenenfalls Gewebeproben (Biopsien) zu entnehmen. Bei Verdacht auf Morbus Crohn kann zusätzlich eine Gastroskopie (Untersuchung des oberen Verdauungstrakts) oder eine Enteroskopie (Untersuchung des gesamten Dünndarms) erforderlich sein.

Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) können verwendet werden, um den Zustand des Darmtrakts weiter zu beurteilen. Diese Techniken sind besonders hilfreich, um den Umfang der Erkrankung und das Vorliegen von Komplikationen, wie Abszesse oder Fisteln, zu bewerten.

Therapie von CED

Die Behandlung von CED hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Ziel jeder Therapie ist es, die Entzündung zu kontrollieren, Symptome zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und langfristig Komplikationen zu vermeiden. Da CED lebenslange Erkrankungen sind, ist eine Heilung derzeit nicht möglich. Mit einer geeigneten Therapie können jedoch viele Betroffene ein weitgehend normales Leben führen.

Medikamentöse Therapie
Die Behandlung beginnt in der Regel mit Medikamenten, die das Immunsystem modulieren und Entzündungen reduzieren. Dazu gehören:

  • Aminosalicylate (5-ASAs): Medikamente wie 5-Aminosalicylsäure, Sulfasalazin und Mesalazin, die entzündungshemmend wirken. Sie sind oft die erste Wahl bei leichter bis mittelschwerer Colitis Ulcerosa, jedoch weniger wirksam bei Morbus Crohn.
  • Kortikosteroide: Starke entzündungshemmende Medikamente für akute Schübe, aber wegen langfristiger Nebenwirkungen nicht für eine Dauertherapie geeignet.
  • Immunmodulatoren: Dazu zählen Azathioprin, Mercaptopurin, Thioguanin und Methotrexat, die bei Patienten eingesetzt werden, die nicht auf andere Therapien ansprechen oder um die Steroiddosis zu reduzieren.
  • Biologika: Zielgerichtete Therapien, die spezifische Entzündungsmoleküle im Körper blockieren, wie z.B. die TNF-Blocker Adalimumab, Golimumab und Infliximab, Integrin-Antikörper wie Vedolizumab, welches selektiv an das Adhäsionsmolekül α4β7-Integrin bindet und dadurch gezielt die Einwanderung von Immunzellen in die Darmschleimhaut verhindert und Interleukin-Inhibitoren wie den IL-12/IL-23-Antikörper Ustekinumab, der speziell auf diese beiden Interleukine abzielt und so die Immunreaktion moduliert und Mirikizumab, ein weiterer Interleukin-23-Antikörper. Sie sind besonders bei Patienten wirksam, die nicht auf herkömmliche Therapien ansprechen.
  • Januskinase (JAK) Inhibitoren: JAK-Inhibitoren wie Tofacitinib und Filgotinib blockieren die Januskinasen (JAK1, JAK2, JAK3, TYK2), die eine zentrale Rolle in der Signalübertragung von entzündungsfördernden Zytokinen spielen. Durch diese Blockade wird die Aktivierung des Immunsystems abgeschwächt, wodurch die Entzündung reduziert wird.

Die Wahl der Therapie hängt von der individuellen Erkrankungssituation ab. Ihr behandelnder Arzt wird mit Ihnen gemeinsam die beste Behandlungsstrategie besprechen.

Schematische Darstellung der Untersuchung und Behandlung einer Darmentzündung. Designed by Freepik (www.freepik.com)
Schematische Darstellung der Untersuchung und Behandlung einer Darmentzündung (Designed by Freepik - www.freepik.com)

Ernährungsmanagement
Eine spezielle Diät kann helfen, Symptome zu kontrollieren und den Ernährungszustand zu verbessern. Obwohl keine spezifische Diät für alle Patienten empfohlen wird, können Veränderungen in der Ernährung, wie die Reduzierung von Milchprodukten oder faserreichen Lebensmitteln, bei manchen Betroffenen Symptome lindern. Eine ausgewogene Ernährung, ggf. mit Nahrungsergänzungsmitteln, ist wichtig, um Mangelerscheinungen vorzubeugen.

Chirurgische Eingriffe
Bei schweren Fällen von CED oder wenn medikamentöse Therapien versagen, kann eine Operation notwendig sein. Bei Colitis Ulcerosa kann dies die Entfernung des gesamten Dickdarms beinhalten. Bei Morbus Crohn werden chirurgische Eingriffe in der Regel genutzt, um Strikturen zu entfernen, Fisteln zu behandeln oder schwer entzündete Darmabschnitte zu entfernen. Ziel ist es immer, so viel gesunden Darm wie möglich zu erhalten.

Unterstützende Behandlungen

  • Raucherentwöhnung: Rauchen ist ein bekannter Risikofaktor, der Morbus Crohn verschlimmern kann. Die Aufgabe des Rauchens ist daher ein wichtiger Teil der Therapie.
  • Psychosoziale Unterstützung: CED können auch emotional belastend sein. Professionelle psychologische Unterstützung oder Selbsthilfegruppen können für Betroffene und ihre Familien sehr hilfreich sein.

Warum Forschung zu CED?

Die Forschung zu CED wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten beigetragen. Diese Fortschritte haben das Verständnis der Krankheitsmechanismen vertieft und dazu geführt, dass Behandlungen heute gezielter und effektiver sind als je zuvor.

Verständnis der Krankheitsmechanismen
Die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien bildet ein tiefgreifendes Verständnis der Krankheitsmechanismen. Forschungen haben gezeigt, dass CED durch eine komplexe Interaktion zwischen genetischen Faktoren, dem Immunsystem, Umweltfaktoren und der Darmflora entstehen. Diese Erkenntnisse haben den Weg für zielgerichtete Therapien geebnet, die spezifisch in diese Interaktionen eingreifen.

Biologika und zielgerichtete Therapien
Ein Durchbruch in der Behandlung von CED war die Einführung von Biologika, Medikamenten, die spezifisch bestimmte Moleküle im Entzündungsprozess blockieren. Zum Beispiel hemmen TNF-Blocker (Tumor-Nekrose-Faktor-Blocker) ein Schlüsselzytokin, dass bei Entzündungsreaktionen eine zentrale Rolle spielt. Diese gezielten Eingriffe haben es ermöglicht, Entzündungen effektiver zu reduzieren und Remissionen zu erzielen, ohne das Immunsystem umfassend zu unterdrücken. Die kontinuierliche Erforschung neuer Therapieansätze ist entscheidend, um langfristig wirksamere und besser verträgliche Behandlungsoptionen für Patienten mit CED bereitzustellen. Während einige Patienten auf bestehende Therapien gut ansprechen, bleibt für viele Betroffene die Notwendigkeit bestehen, alternative Behandlungen zu finden, insbesondere wenn die Wirksamkeit im Krankheitsverlauf nachlässt oder Nebenwirkungen auftreten. Die fortschreitende Entwicklung neuer Biologika und zielgerichteter Inhibitoren ist Ziel des Sonderforschungsbereichs TRR241. Sie soll in Zukunft zu individuelleren und effektiveren Behandlungsstrategien führen.

Fortschritte in der Genetik
Die genetische Forschung hat ebenfalls zur Entwicklung neuer Therapien beigetragen. Die Identifikation von Genen, die mit einem erhöhten Risiko für CED verbunden sind, hat nicht nur das Verständnis der Krankheitsursachen verbessert, sondern bietet auch Ansatzpunkte für personalisierte Medizin. So können Behandlungen künftig noch besser auf den einzelnen Patienten zugeschnitten werden.

Mikrobiom-Forschung
Die Erforschung des Mikrobioms, der Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm, hat neue Perspektiven für die Behandlung von CED eröffnet. Studien zeigen, dass Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora zu Entzündungsprozessen beitragen können. Ansätze, das Mikrobiom durch Diät, Probiotika oder sogar Stuhltransplantationen zu modifizieren, sind vielversprechende neue Therapieoptionen.

Neue Diagnose- und Monitoring-Tools
Fortschritte in der Forschung haben auch zu verbesserten Diagnose- und Monitoring-Tools geführt. Nicht-invasive Tests, die Biomarker im Blut oder Stuhl nachweisen, ermöglichen eine genauere Diagnose und Überwachung der Krankheitsaktivität. So können Therapien besser angepasst und Nebenwirkungen reduziert werden.